Historische Gebäude, faszinierende Altstadt, dazu gutes Essen, Wein und Bier: Es gibt viele gute Gründe für einen Ausflug nach Colmar. Und der Flugplatz liegt nur einen Kilometer vom Zentrum entfernt.

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Strand und Inseln, das sind beliebte Pilotenziele für heiße Sommertrage. Wenn aber das Wetter nicht ganz so optimal ist, dann darf's auch mal ein Ausflug in eine sehenswerte Stadt sein. Zumal, wenn sie nicht gar so groß ist - damit der Flugplatz in der Nähe liegt und bezahlbar bleibt. Eines der schönsten Ziele dieser Art liegt im Oberrheintal, gleich hinter der Grenze zu Frankreich: das romantische Colmar im Elsass.



Der Anflug ist seit Sommer 2009 denkbar einfach: Früher versperrte die langgestreckte Kontrollzone der Militärbasis Meyenheim den direkten Weg nach Colmar-Houssen (LFGA). Doch die wurde geschlossen. Für Flüge nach Frankreich sind zudem weder Grez- noch Zollkontrollen erforderlich, ein grenzüberschreitender Flugplan genügt. Weitere Details über Auslandsflüge verrät auch das fliegermagazin-Extra "Fliegen in die Nachbarländer", das auf dem Titel dieser Ausgabe beigeklebt ist. Das Gelände rund um die Stadt ist flach, erst unmittelbach westlich davon erheben sich die Vogesen. Östlich des Platzes verläuft in Nord-Süd-Richtung eine Autobahn als perfekte Auffanglinie.

Die freundlichen Tower-Lotsen von Colmar - der Platz hat einen Tower, aber keine Kontrollzone - sprechen gut Englisch. Auch IFR-Anflüge sind hier möglich, die Bahn 19 verfügt über ein ILS-Landesystem.

Auf dem Vorfeld neben der 1610 Meter langen Asphaltbahn ist jede Menge Platz zum Parken, das moderne Terminal-Gebäude bietet Drahtlos-Internet für Reiseplanung und Flugvorbereitung.

Hier muss eine Entscheidung getroffen werden: Für Flugverrückte ist eigentlich ein Zimmer im Novotel Pflicht, denn dieses Hotel hat Fenster zum Flugplatz; Pool und Terrasse sind nur durch einen niedringen Zaun vom Taxi-way getrennt. Der Flugverkehr in Colmar ist allerdings weder bemerkenswert dicht noch besonders aufregend.

Andererseits gibt es mitten in der Altstadt zauberhafte Hotels in historischen Gebäuden. Direkter lässt sich die einzigartige Atmosphäre von Colmar kaum erleben.

Also ab zum Taxistand. Kaum fünf Minuten dauert die Fahrt ins Zentrum - und unser Fahrer spricht Deutsch, wie viele der etwa 70 000 Bewohner von Colmar. Gerade bei älteren ist auch noch das Elsässisch verbreitet, ein regionaler und sehr eigenwillig, aber interessant klingender, alemannischer Dialekt.

Welche Epoche auch immer dem Besucher am Herzen liegt: Colmar hat die passenden Gebäude. Ihre Entsehungszeit überspannt sechs Jahrhunderte. Zu Fuß lässt sich die Altstadt am besten entdecken. Dabei helfe die Stadtpläne des Fremdenverkehrsamt, die in den meisten Hotels ausliegen. Die Tourismuszentrale bietet auch Führungen durch die Altstadt an, bei denen man viel Wissenswertes über die historischen Bauten erfährt.

Das älteste öffentliche Gebäude der Stadt ist das Koïfhus, das Zollgebäude von 1480, dessen bunte Dachschindeln auffällig leuchten. Etliche prachtvolle Bürgerhäuser aus dem Mittelalter und der Renaissance sind in den Gassen versteckt. Das 1537 für einen reichen Hutmacher erbaute erbaute Pfisterhaus (Maison Pfister) sollte man sich ansehen, ebenso das Kopfhaus (Maison des Têtes), an dessen Fassade 111 steinerne Köpfe und Masken prangen. Die kleinen Geschäfte in der Altstadt haben fast alle Schilder über dem Eingang hängen, die schon von Weitem den Laden anspreisen.

Prachtvoll liegt zwischen den Häusern die Stiftskirche Saint-Martin. das ursprünglich im romanischen Stil erbaute Gotteshaus wurde ab 1235 vergrößert und im gotischen Stil verändert.

Am südlichen Ende des Stadzentrums fließt der Fluss Lauch zwischen den Häusern. Für das alte Fischerviertel entlang des Quais de la Poissonerie hat sich der Name "Klein-Venedig" durchdesetzt - durchaus zu recht. An den romantischen Kanälen haben sich viele Restaurants angesiedelt.

Dank einer einzigartigen und eigens für die Stadt entwickelten Lichtarchitektur, mit der die historischen Gebäude in unterschiedliche Lichtstimmungen getaucht werden können, ist ein nächtlicher Gang zum Abendessen besonders interessant.

Die vielen Colmarer Restaurants bieten häufig eine Möglichkeit, draußen zu sitzen: Innenhöfe, die Bürgersteige der engen Gassen und Terrassen an den Kanälen sind mit Stühlen und Tischen ausgestattet.

Die Getränkefrage ist in Colmar schwierig: Zum einen gilt der Ort als Hauptstadt des elsässischen Weins. Das ist vor allem der Riesling; aber auch Weißwein der Rebsorten Sylvaner, Pinot Blanc, Elsässer Muskat, Tokay Pinot Gris und Gewürztraminer wird im Elsass angebaut. Pinot Noir ist der einzige Rosé- oder Rotwein der Region.

Zum anderen ist das Elsass aber die Region Frankreichs, in der das meiste Bier gebraurt wird - wenn auch eher in der Gegend um Straßburg. Auch ein "Bière d'Alsace" passt hervorragend zur eher deftigen Küche des Elsass.

Ein paar Empfehlungen: Unbedingt probieren sollte man Choucroute garnie (Sauerkraut mit dreierlei Würsten und Schweinebacke), Baeckoffe (in Weißwein marinierter Kartoffel-Fleischeintopf), Flammkuchen oder Kougelhopf, den auch in Deutschland bekannten Napfkuchen.

Den gibt es meinst auch zum Früstück, auf das ein Museumsbesuch folgen könnte. Mindestprogramm ist das Musée d'Unterlinden, untergebracht in einem Dominikanerienen-Kloster aus dem 13.Jahrhundert. Es zeigt unter anderem eine bemerkenswerte Sammlung oberrheinischer Sakralkunst vom Mittelalter bis zur Renaissance. Doch die Hauptattraktion ist ohne Frage der Isenheimer Altar von Matthias Grünewald, ein Hauptwerk deutscher Malerei.

Die drei Schauseiten des Wandelaltars, die im Ablauf des Kirchenjahrs für die Gläubigen geöffnet wurden, schuf Grünewald vermutlich in den Jahren 1505 bis 1515. Die zum Altar gehörenden Skulpturen und das Schnitzwerk, das dem Werk eine Gesamthöhe von acht Metern gab, stammen wohl von Nicolas de Haguenau.

Der Altar stand ursprünglich in der Spitalskappelle des Antoniterklosters in Isenheim, einem Örtchen 20 Kilometer südlich von Colmar. Er lag an der Pilgerroute nach Santiago de Compostela. 1793 transportieren zwei Kommissare der gerade entstandenen französischen Republik die Gemälde und die Skulpturen der dritten Schauseite in die Distrikthauptstadt Colmar, um die sicherere Aufbewahrung zu gewährleisten. Das Schnitzwerk blieb in Isenheim, es ist seit 1860 verschwunden. Im Museum werden die Schauseiten getrennt gezeigt.

Wer mit Kindern nach Colmar reist, sollte einen Besuch des Spielzeugmuseums nicht auslassen. Es zeigt eine lebendige Sammlung von Kinderspielzeug aus vielen Epochen.

Besonders stimmungsvoll ist der Colmarer Weihnachtsmarkt: Von Ende November an ist die Altstadt mit Weihnachtsschmuck und Lichtern verziert, Händler bieten ihre Waren in unzähligen Buden an.

Beim Abflug wäre ein Blick auf die Altstadt sicherlich lohnend - doch deren überflug ist verständlicherweise nicht erwünscht. Eine Alternative kann ein Flug entlang der Hügelkette im Wester sein: Hier wird der Riesling angebaut, den man vielleicht am Abend zuvor noch auf dem Kopfsteinpflaster vor einem Restaurant genossen hat.


Thomas Borchert


Fliegermagazin Nr.3 / März 2010
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